Nikolai Vogel / nachwort.de

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Januar 2008


Sonntag, 27. Januar 2008

Vorschaurückblick

Ein Bild an die Wand hängen. Essen gehen am Nachmittag. Die US-Vorwahlen verfolgen wie Sportkämpfe. Platten auf den Teller, Home-Mix. Eine Breze mit Camembert. Sex. Wein aus Bolgheri mit Erinnerungssicht zum Meer, Retrospektive. Chicks on speed. John Giorno. Everyone gets lighter. Go! She's a Maneater. Slow. Ein Bild an die Wand gehängt. In einen großen Raum. Kommen am Mittwoch die Leute. Und sehen es sich an. Wie es sich um sich verbreitet, wie es in die Luft greift.

NV am 27.01.2008 um 14:32 »


Samstag, 26. Januar 2008

Gehen wir arbeiten

Der Bus fährt den Giesinger Berg hinab. Über den ganzen Fußboden verteilt sich Flüssigkeit, durchsichtig, farblos. In der letzten Reihe, vor dem Fenster, schläft ein Mann. Die Tetrapackflasche Weißwein vor ihm ist umgekippt. Der Wein erobert sich den Bus, bis ganz nach vorne, tastende Rinnsaale. Draußen ist es kalt. In die Wohnung, Kaffee. In der gleichen Buslinie, etwas später, jemand, der erzählt, er fahre schon drei Runden, was solle er denn draußen in der Kälte stehen. Betrunken. Und fasziniert davon, dass eine junge Frau immer wieder mit ihrem Krapfen tropft, macht Witze, setzt sich zu ihr, redet auf sie ein. Sie, souverän, erklärt ihm ausführlich, wie es kommt, dass sie um zwei schon heimfährt und dennoch arbeitet. Er glaubt ihr nicht, will sie überführen. "Du studierst doch", sagt er immer wieder. "Nein, ich arbeite." "Aber dann wärst Du doch schon um drei, vier in der Früh in der Arbeit gewesen, bei so einem acht Stunden Tag. Du bist Student!" "Nein, ich arbeite." - "Ich glaube Dir", sage ich, als ich aussteige. Sie bedankt sich und er sagt, er glaube es auch schon fast. Das Geheimnis heißt halbtags. Hinter der Paul-Heise-Unterführung sind die Ampeln ausgefallen. Zwei Polizisten regeln den Verkehr, Stress mit der großen Kreuzung. Warum denke ich mich immer in die Grundschule zurück, wenn ich Schutzmänner sehe? Die Autos fahren, die Passanten passieren, alle verhalten sich brav, jeder gibt sich Mühe, achtet auf die Schutzmann-Arme. Es ist kalt aber der Himmel ist offen. Die Zeit passiert, der Tag wird Abend, der Abend wird Nacht. Räume, die neu sind, ohne Rauch. Andere Gerüche. Nach Menschen und Deos. In manchen Kneipen riecht es nach Sportheim. Der Verkehr wird am frühen Morgen weniger. Immer noch kalt, aber nicht kälter als tags. Der Bürgersteig dicht besiedelt. Die Clubs wollen alle noch Eintritt. Eine Bude macht Umsatz. Putendöner, Pizza. Vor uns in der Schlange ein euphorischer Junge. "Döner ist Sex", sagt er und tanzt davon. Die Clubs wollen alle noch Eintritt, auch auf dieser Seite der Straße. Ein Stück Pizza. Dann noch eines. Stehen, kauen, schauen, verdauen. Fahren wir heim und sind da in der Früh. Und am nächsten Tag in den Zimmern der Wohnung. Tee kochen, Bücher aufschlagen, den Radio abstellen, den Computer nicht anmachen. Draußen Wetter. Der Fluss ist da und man könnte spazieren gehen. Die Hände in den Taschen, den Hals im Schal. Einen in Italien am Strand gekauften Drachen das erste Mal fliegen lassen. Der böige Wind lässt ihn immer wieder hängen. Wie Löcher in der Luft, in die er dann stürzt. Die Erwachsenen schauen hoch, die Kinder sind meist zu vertieft in ihre Schrittfolgen, Hunde tollen herum und schnüffeln sich in den Arsch. Isarstrand. Überall Pfützen. Schneeschmelze. Morgens zwischen den Autos über die Straße. Morgens ein Bus. Gesichter, die man schon gesehen hat, Gesichter, die man noch nicht gesehen hat, und Gesichter, bei denen man nicht weiß, hat man sie schon gesehen? Der Blick aus dem Fenster, als könnte er draußen die Häuserwände streichen. Neueröffnete Läden. Stundenlang am Computer sitzen, Seiten aktualisieren, Zeit messen, Systeme testen, alles Mechanik. Tiere sehen dich an. Schweine, die in der Mast nie zu trinken bekommen - haben sie Durst, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als noch mehr Brei zu fressen. Abends die Tram, die U-Bahn. Die Stille im dunklen Hofgarten. Thanks for nothing im Kunstverein, dann Disco. Beim linken Plattenspieler geht nur der linke Kanal. Balance zu halten ist immer wieder schwer. Seiltänzerleben. Die Räume nie mehr zu voll, weil ein gutes Drittel der Gäste meist vor der Tür steht. Rauch in den Winter. Diesen Text auch heute nicht fertig schreiben. Zu müde fürs Überlesen. Gerade noch gegessen. Und ins Bett mit einem Buch, für wenige Seiten, bevor der Arm zum Licht der Lampe langt und die Nacht sich auch über die Decke senkt und den Traum, der darunter geträumt werden wird. Der frühe Bus überfüllt, wahrscheinlich ist der davor ausgefallen. Die Geschichte der Sitze. Wer schon alles darauf gesessen hat. Die gleichen Wege, wohin.

NV am 26.01.2008 um 00:09 »


Freitag, 25. Januar 2008

Zucht und Ordnung

Ein Bakterium mit komplett künstlichem Genom. Irgendwann wird es trotzdem Randale machen. Dass die Wissenschaftler mit den Ohren schlackern - mit den künstlichen womöglich.

NV am 25.01.2008 um 23:55 »


Sonntag, 13. Januar 2008

Überschreiben der Gegenwart

Wie das Rauchverbot Texte, die noch nicht mal veröffentlicht sind, zu historischen macht. Etwa Kneipen- und Clubszenen aus meinem Romanmanuskript "Plug In":

"Niklas hebt nur die Hand mit zwei ausgestreckten Fingern Richtung Tresen, der Wirt erkennt ihn, zapft zwei Bier, schiebt sie ihm hin und gibt ihm die Hand. Niklas spürt, wie die feuchte, stickige Luft seinen Hals hinunterfließt, es fühlt sich an, als beschlügen die Atemwege wie eine Brille, und er weiß, der Rauch in der Luft nistet sich bereits ein in Haare und Kleidung, als wären diese ein wichtiger Filter der Luft."

NV am 13.01.2008 um 16:33 »


Samstag, 12. Januar 2008

Dreierlei Glück

Beim Zeitschriftenhändler zwei Lose. In der Bäckerei bekomme ich für mein Glück zum Brot noch einen kleinen Marienkäfer aus Holz geschenkt, mit Klebepunkt auf seinem Bauch. In der Drogerie fallen einem Mann beim Zahlen Münzen aus dem Geldbeutel. Eine junge Kundin, die gerade ihre Einkäufe verstaut, bückt sich, hält ihm eine Münze hin, aber er sagt, sie solle den Glückscent behalten. Da bückt sie sich noch mal und gibt ihm ein Zweieurostück, das er nicht ablehnt. Die Lose waren leider nichts.

NV am 12.01.2008 um 00:54 »


Freitag, 11. Januar 2008

Ärgernisse

Bürokratien, wo kommt das Geld her, was macht wer, und wer gibt nach, wann und warum, Meinungen ändern oder Verhaltensweisen, Wein auf, Wein leer, neue Zahnbürste, neue Bürste, neuer Kamm, alles neu, alles Alte neu, heißt alles Alte behalten, alt und neu ohnehin kein Unterschied, kein erkentnisgewinnender Unterschied, alles gleich, alles dasselbe, Formular ausfüllen, streiten welche Platte, Platte umdrehen, zwei Seiten der Medaille, die Spur ist gelegt, der Spur wird gefolgt, wir laufen alle in Endlosschleifen, fast, beinahe, um ein Haar, es gibt Staub, es gibt Rauschen, es gibt Räusche, Wortspiele, über alles mit der Fusselbürste drüber.

NV am 11.01.2008 um 02:01 »


Sonntag, 6. Januar 2008

Donnerstag, 3. Januar 2008

Spiegeltricks statt Pullover

Die Stadt voll. Keinen Platz im Café und nur häßliche Pullover auf den Wühltischen. Vor den Sternschnuppen noch ins Haus der Kunst zu Anish Kapoor. Ein Klotz von einer Ausstellung. Der Wärter fragt uns vor dem Eintreten mahnend, ob wir den Text gelesen hätten, das wäre wichtig. Hatten wir. Darin stehen dann Sachen wie "Das Unsagbare wird ausgesprochen". Löcher in der Wand. Und dazu Spiegeleffekte und optische Strudel, die schwindlig machen. Könnte fast auch im Deutschen Museum laufen. Die Exponate allerdings nur additiv zusammengewürfelt. Angeberei. Zu viel auf einem Haufen erschlägt sich oft. Auch in großen Räumen. Nichts annähernd so eindrucksvoll rätselhaft, wie seine Installation in der kleinen Kapelle von Castello die Ama. Diese rote Sphäre, bei der man die Tiefe nicht ausmisst. Schwebender Raum. Wir schreiben das Jahr 2008.

NV am 03.01.2008 um 21:26 »


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