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Donnerstag, 7. Dezember 2006

Der Föhn bläst den Herbst zurück

Der Föhn bläst den Herbst zurück, der sich weigert, in den Winter zu kippen. Auf den Straßen Faulgeruch von Fruchtschalen, die keine Kälte zudeckt. Die Sonne. Nachts Tauchgang und erwacht mit angehaltenem Atem. Kopfweh, Rauschen in den Ohren. Der Föhn bläst den Herbst zurück, der hier lange Rast hält. Als überlegten die Grillen schon, ob sie ihre Gesänge nicht doch noch mal anstimmen sollten. Eine Platte suchen und auflegen. Aber die Strahlen kommen in Schräglage, Sommer ist das noch nicht, die Tage kurz. Leute sitzen im Freien beim Mittagstisch, nur die Anoraks bieten ein ungewohntes Bild. Alles beleuchtet, voll in Farbe. Schnupfen und Grippe sind schon da, vorausgeeilt der Kälte und jetzt etwas irritiert, ist das wirklich ihr Revier? Waren sie nicht ein wenig voreilig, so auszubrechen, aus der Deckung der in die Kälte gehauchten Atemfahnen. Schon Schals, aber dünn, nicht die strickwollenen, die flauschigen oder die Kratzbürsten. Und die abgeschlagenen, verpackten Tannenbäume liegen da wie eine verunglückte Kunstinstallation. Der Föhn bläst den Herbst zurück, hinterher dem Altweibersommer. Die Bäume stehen nackt im Licht und wissen nicht recht, was sie machen sollen. Keine Fotosynthese, kein Winterschlaf. Und die Fenster müssten mal wieder geputzt werden, jetzt in diesem Licht sieht man es am besten. Und woran jetzt denken, wohin träumen? Den hohen Himmel des Sommers oder die weite Winterlandschaft? Der Föhn bläst den Herbst zurück, der beides nicht ist, aber von beiden viel weiß. Eine ganz andere Empfindung von Zeit.

NV am 07.12.2006 um 14:22


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