Nikolai Vogel / nachwort.de

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Dienstag, 21. September 2004

Tage im Kosmos

Erst überall
Alexander von Humboldt, der Versuch einer Neuinstallation eines Nationalhelden

ein schönes Schmökerbuch
die Kosmos-Ausgabe der Anderen Bibliothek, stolz angepriesen als Gesamtausgabe, was allerdings nicht ganz stimmt, denn das umfangreiche Register ist eben nicht abgedruckt, sondern es heißt, man möge es auf der Website konsultieren

ein editorischer Zwitter
der mich so nicht überzeugt: wenn ich das Buch schon habe und etwas nachschlagen möchte, will ich dafür nicht den Computer bemühen müssen - ansonsten bitte gleich die ganze Ausgabe digital, mit dieser Teilung verspielt man aber die Vorteile beider Editionstypen, der gedruckten wie der elektronischen, und keine der Fassungen ist vollständig, da hilft dann auch der beiliegende schöne Berghaus-Atlas nicht drüber hinweg. Also bitte her mit dem gedruckten Register! Im Web wünsche ich dann eine Kosmos-Ausgabe, in der man aus dem Text zu den Quellen Humboldts, zu Briefstellen, zu heutigen Einschätzungen gelangen kann - aber den gedruckten Kosmos möchte ich nicht an das www-Gängelband gelegt! Der Band in sehr schöner Ausstattung und Typographie, der Glittereffekt auf dem Leineneinband mutet vielleicht etwas albern an, ist aber auch witzig, ist man doch mit ihm bereits mitten im Sternenstaub. Leider ist alles etwas marketingprotzig geraten, verkleistert mit zahlreichen Werbezitaten und gestärkt mit einer langen Dankesliste voller Rang-und-Namen, die die Idee "Alexander von Humboldt und seine wichtigsten Werke auf die Tagesordnung unserer Gesellschaft zu setzen" unterstützen. Auch die Thesen Enzensbergers verstärken den Eindruck Alexander von Humboldt, werde verkauft, als handle es sich um ein Medikament, AvH - die Frage ist, ob man sich wirklich nach einer derartigen Dosis sehnt, ob man ihn auf der Tagesordnung will, auf dem Markt der Phrasen - oder nicht lieber einfach nur liest, bei Lust und Laune

und jetzt die Wiesn
die ganze Stadt ein großes Urinal, die Menschen auf den Straßen wie aus einem expressionistischen Gedicht

und letzte Woche
wandernder Zahnschmerz, von der Zunge und Ärzten gejagt und lange nicht gestellt, springend von Zahn zu Zahn, als grinse er ach wie gut dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß

in der U-Bahn
lese ich in Ballards "Traum GmbH", aber es nimmt mich nicht gefangen wie seine "Kristallwelt", diesen absonderlichen Nachfolger von "Herz der Finsternis"

nachmittags schaue ich aus dem Fenster
und hinter dem gegenüberliegenden Dach treibt eine tiefdunkle Wolkendecke davon, wild gefleckter Himmel den ganzen Tag

NV am 21.09.2004 um 21:28


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