Nikolai Vogel / nachwort.de

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Montag, 21. Mai 2007

Blicke, Milano

Im Zug Handys reihum, die Gespräche wie Fäden hinaus durch die Luft, kaum einer redet mit dem Gegenüber. Über den Apennin und durch Tunnel. Mailand im Mai. Günther Förg in der Galerie Ala. Sonnenbrillenverbot, man soll sehen, nicht gesehen werden wollen. Keine Modenschau, kein Laufsteg. Neue Bilder und vor allem drei große Hefte, die eine behandschuhte Mitarbeiterin den ganzen Abend lang geduldig vorblättert. Ein gutes, verstecktes Restaurant. Und nachts keine Kneipen, aber Wasser geschenkt, weil wir einen Lieferanten nach einer Bar fragen und ihm in der Nähe keine einfällt, die noch offen hat. Spiegel im Aufzug und Klimaanlage im Zimmer. Nur die Simulation einer Meeresbrise, wir schalten sie ab, irgendwann, für die Stille. Morgens Festland. Klappern von Absätzen. In Städten geht man viel. Fußgängerzonen und vielleicht daher auch die vielen Schuhläden? Etwas über 160 Stufen auf das Dach des Mailänder Doms und dann noch mehr, immer vorbei am Strom derer, die wieder hinabsteigen. Oben ein amerikanisches Basketball-Team und Handys und Fotos. An allen Häusern hängen Frauengesichter und werben für Duft, Schmuck und Kleidung. Das letzte Abendmahl ausverkauft bis in den Juni. Ein junger Amerikaner fotografiert das "Sold Out"-Schild. "That's as far as I can get to Leonardos Last Supper, so that's my picture." - Wir dürfen rein, mit italienischer Führung, und schauen, so viel wir in unsere Augen bekommen. Der sauber geweißelte Raum, Kloster, Pferdestall, und die durchbrochene und wieder zugemauerte Türe, die Jesus die Füße wegnahm. Die Falten der Tischdecke, dass man ausmachen kann, wie sie zusammengelegt war. Und eine Frau? Der Abstand zwischen Johannes und Christus. Modellarchitektur, schnörkellos, zeitlos. Menschen, ausgerichtet auf den Beobachter, für den eine Seite des langen Tisches reserviert bleibt. Und ein Blick hinaus in die Landschaft. Nach einiger Zeit bellt der Lautsprecher, dass die Zeit abgelaufen ist, Einlass der nächsten Gruppe. - Mehr Platz in Mailand, breitere Straßen, die Bürgersteige für zwei Beine ausgelegt. Anders Florenz, ein Gewusel. Die Stadt ersäuft im Tourismus. Nahende Pfingstflut. Die Verkündigung, lese ich, ist in Japan. Ein Ehepaar am Kiosk bei den Postkarten. "Schau, das! Das ist doch der schiefe Turm von Pisa!" - "Ja!" - "Aber auch blöd, oder, wenn wir den jetzt verschicken - wo wir doch in Florenz sind." So ist es. Schnaken im Zimmer. Vom Dach der Villa Romana der Blick auf die Stadt und der Wind, der die hohen Zypressen wiegt.

NV am 21.05.2007 um 15:10


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