Nikolai Vogel / nachwort.de

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Sonntag, 9. Juli 2006

Die Tropen zwischen M und A

Der Bahnhof hat sich noch mal verändert. In die freien Plätze wurden weitere Stände geschoben. Fanartikel, Süßes, Backwerk, Magazine. Früher war der Münchner Hauptbahnhof schön karg. Man musste nicht direkt suchen, wollte man etwas kaufen, aber musste aktiv hingehen. Es gab das Nötigste und die Welt konnte man bereisen. Heute findet man alles, was es bald überall gibt. Es bedarf einiger Willensstärke, um ohne Einkauf zum Zug zu gelangen. Damit ging aber auch das Gefühl für Ankunft und Abreise verloren, auf das man sich früher konzentrieren konnte. Der Bahnhof ist kein Sehnsuchtsort mehr, sondern ein Supermarkt.

Zu früh am Gleis fährt der leere Zug gerade ein, wird bereit gestellt. Ich betrete das Abteil, Hitze schlägt mir entgegen. Heiße Luft von woanders mitgebracht. Andere Gegend, andere Feuchtigkeit. Minuten später ist mein T-Shirt durchnässt, die Körperkühlung angesprungen. Ist das Befindlichkeitsprosa? Vielleicht. Stattdessen lieber über neue Technologie-Eintagsfliegen berichten? Über Helden? Über große Namen der Weltgeschichte? Wie man sich jetzt ausmalt, was die so gedacht haben werden. Jedenfalls schwitze ich und der Computer stürzt gerade nicht ab, weil er nicht an ist. Im Rucksack noch kein RAM - und ROM nur als mögliches Ziel unter vielen. Die Kalauer blühen. Das Papier im Notizbuch weicht bereits auf. Die Waggons zuckeln hin und her, vom Abhängen der Lok, die den Zug hergebracht hat, vom Anhängen der Lok, die den Zug wegbringen wird. Das Fenster weit offen, ergebnisloses Warten auf Fahrtwind. Fahrgäste im Eilschritt vor dem Fenster vorbei, zur Besetzung der Waggons weiter vorne.

Umsteigen. Mit dem Bus bis Thannhausen zu Jürgen Bulla. Wolkenwand, zweigeteilter Himmel. Abends Nudeln mit Safran. Ab in die Landschaft. Ausblicke. Badewetter verflogen. Die Baggerseen von Balzhausen unter unentschlossenem Gewitter. Nachts eine Fliege im Zimmer. Setzt sich, fliegt, setzt sich. Kurzer Schlaf auf schmaler Isomatte. Freitag vormittags in Ursberg, Ringeisen-Gymnasium. Lesung im Musikzimmer. Die K12 stellt gute Fragen. Mittags verköstigt. Rehbraten aus den Krumbacher Wäldern. Wolkenbruch. Das Hemd unter Wasser. Und warum schreibe ich keine Krimis?

NV am 09.07.2006 um 01:22


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