Nikolai Vogel / nachwort.de

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Sonntag, 12. Juni 2005

Aus der Hand oder unter den Fingern

[Abschrift aus dem Notizbuch, geschrieben im ICE von Berlin nach München, 9.6.5. Vorzustellen als schwer lesbar, wie ein verwackeltes Bild:]

Die Gelegenheit zur Handschrift nur noch wenn der Laptop nicht dabei ist? Die selten geschriebene, verwehte Handschrift, das Manuskript immer schon im Computer, Handschrift als sich auflösende, verlierende Gattung, nur noch flüchtige Nebenbeis aufnehmend und tragend, der Zug rüttelt arg, verschüttelt die Wörter, die Buchstaben, wie ein Tanz, ein Sich-Entgegenstemmen in der Bewegung der Zeit.

"Haben Sie auch nichts vergessen?" leuchtet das Display über der Wagentüre und die Flasche kommt in Bewegung beim Bremsen des Zuges, rutscht, bis mein Finger sie stoppt, beim Halt in Erlangen, rutscht in die entgegengesetzte Richtung, zurück auf die Ausgangsposition, der Zug wieder angefahren, wieder in Fahrt, die Buchstaben, das Alphabet wieder verschottert in der Hebung und Senkung der Schwellen. Das Licht schwindet der Sonne hinterher, die dunkleren Wolken vor hellerem Himmel, die dunkleren Bäume über helleren Wiesen. Ein Handy empfängt eine SMS, ich sehe nach, es ist nicht meines. Alles auf Empfang, wir sitzen im Zug und senden, senden in die Welt hinein, hier sind wir und ihr woanders. Wo? Wo wir, wo ihr? Die Welt stemmt sich fortwährend gegen ihr Zitat, überholt es, wird eingebaut und kommt wieder aus. Fürth, kein Halt an den Ursprüngen des Zuges, die Fahrt aufgenommen, weiter nach Nürnberg, ob man dies wird lesen können? Ob die Fortbewegung, die Erfindung der Strecke, das Wisssen, die Erinnerung bewahrt?

NV am 12.06.2005 um 16:39


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